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Geschwindigkeitsmessung mit dem Police-Pilot-System |
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Bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem ProViDa-System auch Police-Pilot-System
genannt gibt es je nach Einsatz unterschiedliche Anforderungen an die
Bedienung und unterschiedliche Fehlerquellen. Entsprechend unterschiedlich sind
auch die Anforderungen an die amtsgerichtlichen Urteilsgründe. Worauf Sie
als Verteidiger achten müssen, können Sie den nachfolgenden Checklisten
entnehmen.
Hinweise: Beim Police-Pilot-System ist das für die Messung
verwandte Messgerät im Poli-zeifahrzeug eingebaut. Es besteht aus
einem geeichten digitalen Tachometer, einem Steuergerät (Police-Pilot)
und einer Videoanlage zu Dokumentationszwecken. Die gemessenen Daten werden
auf einem Monitor angezeigt und bei der Videoaufnahme gespeichert.
Die Geschwindigkeitsermittlung mittels Police-Pilot-Systems ist als standardisiertes
Mess-verfahren i.S.d. BGH-Rechtsprechung (BGHSt 39, 219 = DAR 93, 474; NJW 98,
321 = DAR 98, 110) anerkannt (für die ProViDa-Anlage OLG Celle NZV 97,
188 = VRS 92, 435; OLG Hamm 15.11.00, 2 Ss Owi 1057/00; OLG Hamm 11.1.01, 2
Ss Owi 1163/00; für das Proof Speed Messgerät BayObLG DAR 98, 360;
vgl. ferner zum Police-Pilot-System: KG VRS 88, 473; OLG Brandenburg DAR 00,
278; OLG Braunschweig NZV 95, 367 = DAR 95, 371; OLG Stuttgart DAR 90, 392;
OLG Zweibrücken DAR 00, 225 = VRS 98, 394).
1. Einsatzmöglichkeit: Die Messung erfolgt auf
vorher festgelegter und ausgemessener Wegstrecke.
Messmethode: Die Wegstrecke wird in den Zähler des Steuergeräts
eingegeben. Start und Beendigung der Zeitmessung erfolgen jeweils durch
Tastendruck; es wird die Durchschnittsgeschwindigkeit errechnet.
Besonderheiten berücksichtigt? In Frage kommen Fehler bei
der Bestimmung der Länge der Messstrecke und Reaktionsfehler des
Polizeibeamten bei der Betätigung der Zeitmessung (siehe im Übrigen
Plöckl DAR 91, 236). Letztere müssen anhand der gefertigten
Videoaufnahme überprüft werden. Insoweit muss der Verteidiger
ggf. einen Beweisantrag stellen.
Beispiel für einen Beweisantrag: "Zum Beweis der Tatsache,
dass die der Messung am ... um ... zu Grunde gelegte Messstrecke nicht
wie im Messprotokoll/von den Polizeibeamten angegeben ....
m betragen hat, sondern nur ....m, wird die Einholung eines durch einen
Vermessungsingenieur zu erstellendes Sachverständigengutachtens beantragt.
Durch die um ... m geringere Messstrecke verringert sich die dem Betroffenen
zur Last gelegt gefahrene Geschwindigkeit. Es wird weiterhin behauptet,
dass wegen dieser Messfehler ein höherer Toleranzabzug von ... Prozent
von der gemessenen Geschwindigkeit zu machen ist. Zum Beweis dieser Tatsache
wird ebenfalls die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt."
Toleranzabzug: Bei Geschwindigkeiten bis 100 km/h sind 5 km/h
als Toleranz abzuziehen. Bei Messwerten oberhalb 100 km/h erfolgt ein
Abzug von 5 Prozent der gemessenen Geschwindigkeit.
Hinweis: Eine Auswertung des Videofilms kann dazu führen,
dass der vorgegebene Toleranzabzug nicht ausreicht, um alle Unwägbarkeiten
des Messverfahrens zu berücksichtigen (Plöckl DAR 91, 236).
Dann ist ein höherer Abzug vorzunehmen.
2. Einsatzmöglichkeit: Die Messung erfolgt durch
Nachfahren hinter einem zu kontrollierenden Fahrzeug mit konstantem Abstand.
Messmethode: Während des Nachfahrens wird die Geschwindigkeit vom
digitalen Tachometer abgelesen.
Besonderheiten berücksichtigt? Bei der Auswertung des Videofilms
ist auf Abstandsschwankungen und Brennwinkelveränderungen bei der
Messung zu achten (Plöckl DAR 91, 236).
Toleranzabzug: Ein Abzug für Ablesefehler ist nicht erforderlich,
da ein digitaler Tachometer Ablesefehler ausschließt (OLG Stuttgart
DAR 90, 392; OLG Celle NZV 91, 281= VRS 81, 210).
3. Einsatzmöglichkeit: Die Messung erfolgt durch
Nachfahren mit variabler Wegstrecke.
Messmethode: Sobald das zu messende Fahrzeug einen bestimmten
vom Polizeibeamten festgelegten ersten Punkt (z.B. ein Verkehrszeichen
oder Leitpfosten) erreicht, wird die Zeitmessung eingeschaltet. Hat das
Polizeifahrzeug denselben Punkt erreicht, wird die Wegstreckenzählung
gestartet. Der Polizeibeamte legt einen weiteren markanten Punkt zur Beendigung
der Messung fest. Passiert das zu kontrollierende Fahrzeug diesen zweiten
Punkt, wird die Zeitmessung beendet und sobald das Polizeifahrzeug diesen
Punkt erreicht hat, die Wegstreckenzählung. Anhand der gemessenen
Werte wird die Durchschnittsgeschwindigkeit errechnet.
Besonderheiten berücksichtigt? In Frage kommen Bedienungsfehler
des Polizeibeamten, der viermal zu bestimmten Zeitpunkten eine Zeit-/Wegtaste
betätigen muss (Löhle/Beck DAR 94, 465, 476; Beck/Berr, OWi-Sachen
im Straßenverkehrsrecht, 3. Aufl., Rn. 403a).
Toleranzabzug: Der Toleranzabzug wird grundsätzlich wie bei
der 1. Einsatzmöglichkeit vorgenommen. Ein darüber hinausgehender
Abzug ist in der Regel nicht notwendig (OLG Celle, NZV 91, 281). Bei ungünstigen
Messbedingungen, wie z.B. zur Nachtzeit, wird allerdings ein weiterer
Abzug von mehr als 2 Prozent als erforderlich angesehen (OLG Celle a.a.O.).
Hinweis: Von anderen Gerichten wird zum Ausgleich aller Fehlerquellen
ein Abschlag von
8 Prozent vorgenommen (OLG Frankfurt NJW 90, 1308 = DAR 90, 272). Ist
das Messgerät nicht mehr geeicht, beträgt der Sicherheitsabschlag
20 Prozent (KG NZV 95, 37). Bei einem Reifenwechsel ist jedoch ein Toleranzabzug
von 5 Prozent ausreichend, falls ein Reifenwechsel innerhalb einer Reifengröße
vorgenommen wurde oder ein Wechsel von Sommer- auf Winterreifen erfolgte
(OLG Celle NZV 97, 188 = VRS 92, 435). Ein Übergang von Winter- auf
Sommerreifen ohne neue Eichung ist hingegen unzulässig; entsprechendes
gilt für die Ausrüstung des Polizei-Pkw mit Reifen unterschiedlicher
Größe (OLG Celle a.a.O.).
4. Einsatzmöglichkeit: Die Messung erfolgt über
eine variable Wegstrecke. Bei Beginn der Messung und nach Erreichen einer
ausreichenden Messstrecke werden die Zeittaste und die Wegstreckentaste
jeweils gleichzeitig bestätigt.
Messmethode: Es wird die Durchschnittsgeschwindigkeit anhand der gemessenen
Wegstrecke errechnet.
Besonderheiten berücksichtigt? Das Polizeifahrzeug muss den
Sicherheitsabstand als Mindestabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug einhalten,
um auszuschließen, dass sich der Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs
durch das nachfolgende Fahrzeug bedrängt fühlt (Plöckl
DAR 91, 236). Außerdem muss bei Auswertung des Videofilms auf Abstandsveränderungen
geachtet werden. Wird das vorausfahrende Fahrzeug im Laufe des Films kleiner,
wirkt sich das zugunsten des Betroffenen aus (Plöckl DAR 91, 236).
Toleranzabzug: Es gelten die Ausführungen zur 3. Einsatzmöglichkeit.
5. Einsatzmöglichkeit: Die Messung erfolgt aus
einem stehenden Fahrzeug.
Diese Messmethode ist möglich und zulässig. Der Standort des
Polizeifahrzeugs muss allerdings so gewählt werden, dass die Videokamera
des Police-Pilot-Systems die gesamte Messstrecke erfasst (Löhle/Beck
DAR 94, 465, 476).
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In der Regel genügt es, wenn sich der Amtsrichter bei einer
Verurteilung wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit
auf die Mitteilung des Messverfahrens und die nach Abzug der Messtoleranz
ermittelte Geschwindigkeit stützt.
Anzugeben ist also (vgl. OLG Köln, DAR 99, 516 = VRS 97, 442):
- dass nach dem Police-Pilot-System bzw. PoViDa-System gemessen
wurde, welche der denkbaren Einsatzmöglichkeiten angewandt
wurde und
- welcher Toleranzwert zugrundegelegt worden ist (OLG Braunschweig,
OLG Düsseldorf, OLG Köln, jeweils a.a.O). Insoweit ist
in der Regel ein Toleranzwert von 5 Prozent ausreichend (OLG Köln
a.a.O.; BayObLG DAR 98, 360 [10 Prozent für Proof Speed Messgerät
ausreichend]).
Hinweis: Nicht ausreichend ist es, wenn sich dem Urteil nur
entnehmen lässt, dass die Geschwindigkeit mit Hilfe eines nachfahrenden
Messfahrzeugs festgestellt worden ist. Das legt eine Messung mit Police-Pilot-System
zwar nahe, teilt aber nicht mit, mit welcher der nach dem System möglichen
Einsatzmöglichkeiten gemessen wurde (OLG Brandenburg DAR 00,
278).
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Darüber hinausgehende Angaben, z.B. zur Nachfahrstrecke und
zu den ermittelten Mess-ergebnissen, sind nach der neueren BGH-Rechtsprechung
(NJW 98, 321) nicht (mehr) erforderlich (so ausdrücklich OLG
Köln a.a.O., unter ausdrücklicher Aufgabe der früheren
Rechtsprechung; a.A. wohl noch OLG Zweibrücken DAR 00, 225; zur
früheren Rechtslage siehe OLG Braunschweig NZV 95, 367).
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Weiterer Angaben zu den technischen Einzelheiten des Messvorgangs
bedarf es im Urteil des Amtsrichters nicht (OLG Köln a.a.O.).
So sind insbesondere weder Angaben zum konkreten Abstand der Fahrzeuge
zu Beginn und am Ende der Messung, zur gleichbleibenden Einhaltung
dieses Abstandes noch dazu erforderlich, ob und ggf. wie die diesbezüglichen
Feststellungen getroffen und kontrolliert worden sind (OLG Braunschweig
NZV 95, 367; OLG Köln a.a.O.; OLG Zweibrücken DAR 00, 225;
zu darüber hinaus erforderlichen tatsächlichen Feststellungen
bei gleichzeitig erfolgenden Geschwindigkeits- und Abstands-messung
siehe OLG Düsseldorf VA 00, 49, Abruf-Nr. 000877).
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4. Der Amtsrichter muss nur dann die Zuverlässigkeit der
in einem standardisierten Messverfahren erfolgten Messung überprüfen
und sich damit in den Urteilsgründen befassen, wenn konkrete
Anhaltspunkte für Messfehler bestehen (BGHSt 39, 291, 300 f.).
Praxishinweis: Zu möglichen Messfehlern und Zweifeln
an der Funktionstüchtigkeit des Messgeräts müssen Sie
als Verteidiger also vortragen und dazu ggf. einen Beweisantrag stellen.
Dieser wird sich insbesondere auf eine der oben angeführten Fehlerquellen
beziehen, also z.B. auf einen Reifenwechsel ohne neue Eichung, einen
Fehler bei der Bedienung des Messgerätes o.ä. Als Beweismittel
kommen die die Messung durchführenden Polizeibeamten in Betracht
oder das von der Messung vorliegende Videoband, das ggf. in der Hauptverhandlung
in Augenschein zu nehmen ist.
Praxishinweis: Haben Sie in der Hauptverhandlung Zweifel
an der Zuverlässigkeit der Messung geltend gemacht, müssen
Sie diese in der Rechtsbeschwerde mit der Verfahrensrüge weiterverfolgen
(BGHSt 39, 291, 300). Es reicht nicht nur die allgemeine Sachrüge.
Bei der Begründung der Verfahrensrüge muss der Verteidiger
die strengen Voraussetzungen der §§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO,
79 Abs. 3 OWiG beachten. Das heißt: Der in der Hauptverhandlung
gestellte Beweisantrag und der darauf ergangene Ablehnungsbeschluss
des AG müssen am besten wörtlich wiedergegeben
werden.
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Quelle:
Verkehrsrecht Aktuell |
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